Montag, 9. März 2009
Angekommen
lilith2, 18:35h
09.03.09
Gestern sind wir in Dharamsala angekommen. Wir hatten uns es leicht gemacht und ausnahmsweise die ersten 2 Naechte schon ab Hamburg gebucht. So wurden wir dann freudlich am Flughafen mit einem Minibus abgeholt.
Unser Guesthouse liegt so hoch, dass wir das letzte Stueck des Weges aussteigen und gehen mussten. Ein kleiner und steiler Felsweg fuehrte dann zu unserem Guesehouse, und von unserem Balkon koennen wir das ganze Tal ueberblicken.
Direkt vor unserem Haus stehen 2 grosse Stupas mit hinduistischen Gottheiten. Damit auch das Beduerfnis nach Kitsch erfuellt wird, blinkt innen eine Leuchtkette. Die wird aber abends ausgeschaltet und auch die Tuer wird geschlossen - auch Goetter muessen schlafen.

Zum Abendessen habe ich das erste Mal das Nationalgericht Daal gegessen. Ein Linsengericht und dazu gab es Currygemuese und Rettichscheiben. Als Dessert ein ebenfalls sehr leckeres Kokosnussmus.
Ich habe mich noch nicht an die Zeitumstellung gewoehnt und so bin ich dann auch nachts aufgewacht. Habe mich dann ein bisschen auf den Balkon gesetzt. Es war kalt und still und man konnte die Silhouette des Himalayas sehen. Es ist zu beeindruckend um es wirklich zu schildern. Mir fiel das alte Volkslied ein "Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt" (Ist das eigentlich von Eichendorf? Wenn ja, von Joseph oder vom Bruder?). Diese Strophe stimmt mit jedem Wort.
Habe ein bisschen Angst, dass wir jetzt im Dunkeln den Weg nicht mehr finden, denn es ist wirklich eine Kletterpartie und Felsen sehen nachts alle gleich aus...
Upper Dharamsala MCleod Ganj (HP)
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zweiter Tag 10.03.09
Wie ich befuerchtet hatte, haben wir uns gestern verlaufen. Aber in der frischen Bergluft war das nicht weiter schlimm, irgendwie sind wir dann doch nach Hause gelangt.
Als wir gestern sind wir im Tempel des Dalai Lamas ankamen, began gerade eine grosse Meditation zum Gedenken an die Vertreigung aus Tibet. Ich habe so etwas noch nie erlebt - die Meditationsgesaenge liessen foermlich die Luft vibrieren und zeitweilig verursachte dies fast schon Ohrenschmerzen.
Unter den Moenchen gibt es auch Kinder. Einige der Kinder - uebrigens immer nur Jungen - bleiben auch spaeter Moench. Aber viele sind nur eine Zeitlang Moench und leben danach wieder ganz weltlich. Tibetische Kinder während der Zeremonie unterscheiden sich in einem Punkt nicht allzu sehr von christlichen Kindern im Gottesdiest - sie flüstern und kichern viel lieber herum als andaechtig zu lauschen!

Als wir heute in MC Leod ankamen, versammelten sich gerade die Menschen zu einer Demo in Richtung Tempel. Wer wollte, konnte sich eine Kerze nehmen und dann setzte sich die Menschenmenge langsam in Bewegung. In viel zu engen Strassen, die noch nicht einmal gesperrt waren, quetschten wir uns dann durch das Zentrum.

Heute jaehrt sich der 50. Jahrestag der Vertreibung aus Tibets. An der Demo nahmen sowohl Moenche als auch Touristen, Inder und Tibeter und sehr junge als auch sehr alte Menschen teil. Die Tibeter fingen dann zu singen an - zuerst sehr leise und dann immer lauter. Im Tempel angekommen wurden dann ein paar Reden gehalten und eine Gedenkminute fuer die Menschen eingelegt, die fuer ihre Ueberzeugung ihr Leben lassen mussten. Am Schluss wurde dann gemeinsam ein Lied angestimmt. Ich weiss nicht, ob es sich um eine Art Nationalhymne oder um ein religioeses Lied handelte. Auf jeden Fall habe ich nur sehr selten Menschen so inbruenstig singen hoeren. Inbruenstig und doch nicht fanatisch, so wie ich es schon immer bei der Internationalen empfand, mit der ich mich nie anfreunden konnte.
Danach hat Mika noch einen alten Freund getroffen, den er schon 12 Jahre nicht mehr gesehen hat und der extra wegen der Veranstaltung hier ist. Tja, es gibt doch Menschen, die sich fuer andere interessieren....
Vorgestern Nacht, als ich in der Dunkelheit auf dem Balkon sass, kamen mir Zweifel, ob es wohl ein Widerspruch ist, im Lande Buddhas die ignatianischen Exerzitien zu praktizieren, was ich ja vorhabe. Aber eigentlich ist es klar, dass kein Widerspruch besteht. Es gibt mit Sicherheit nur eine Wahrheit. Aber diese Wahrheit offenbart sich in verschiedenen Bildern. Und hat verschiedene Propheten. Das, was hinter der Form steckt gilt es zu ergruenden.
dritter Tag, 11.03.09
Habe mich eben spontan zu einer Aryurvedamassage entschieden und das nicht bereut. Gehe jetzt wie auf Wolken.
vierter Tag, 12.03.09
Es ist doch ein bisschen anstrengend, jeden Tag den Berg hochzukraxeln und auf dem Weg denke ich oft, dass wir uns ein Guesthouse in der Naehe suchen sollten. Aber wenn ich dann oben bin, entschaedigt mich die majestaetische Aussicht fuer die Plackerei. Und ausserdem kann ich ja wieder eine Aryurvedamassage fuer die Fuesse machen lassen...
Gestern war ein Hindu-Feiertag: der Tag der Farben. Entsprechend waren einige Leute hier auch voellig mit Farbe eingespritzt. Uns hat man aber verschont.
Habe endlich herausgefunden, warum die Karte so wenig hilfreich ist: unser Guesthouse befindet sich gar nicht in MCLeod Ganj sondern in Bagshu. Mein schlechter Orientierungssinn ist schon eine Last. Aber jetzt kenne ich die wichtigsten Punkte und weiss zumindest wo die Tuk-Tuks abfahren und wo ich aussteigen muss.

Waehrend ich hier im Internetcafe sitze, laufen draussen tibetische Nonnen mit Kerzen vorbei und rezitieren heilige Texte. Und mein Kollege mailt mir aus Hamburg immer wieder Beitraege ueber Tibet, in denen ausgesagt wird, wie einseitig alle Berichte seien. Tibet waere frueher ein feudalistisches Land gewesen mit furchtbarer Armut und wenig Rechten fuer das Volk.
China ist immer noch ein feudalistisches Land - mit Parteibonzen als Feudalherren. Und manche Minenarbeiter arbeiten nackt (!!) weil sie nur ein paar Kleider haben und diese nicht beschaedigen wollen. Und die Gefaengnisse sind voll mit Menschen, die lediglich eine andere Meinung haben. In Tibet durfte man zumindest sagen, was man wollte. Und kein Lama hat je solche Reichtuemer gehabt wie die jetzigen chinesischen Neureichen.
In Tibet gab es Misstaende wie ueberall auf der Welt. Aber jedes Volk hat das Recht, seine Misstaende selbst zu aendern. Und jedes Volk hat das Recht auf seine Religion, man kann weder jemandem verordnen, an Mao zu glauben noch an Jesus noch an die Deutsche Bank.
13.03.09
Komme gerade von einer Tour mit unserem Vermieter zurueck. Wir haben den Dal-Lake angesehen, einen Shivatempel, das Dorf Naddi und das von der Schwester des Dalai Lama gegruendete Childrens Center.
Wir zoegern einen Ortswechsel immer mehr raus, weil unser jetziges Guesthouse so schoen ist. Vielleicht machen wir aber demnaechst fuer ein paar Tage eine Tour nach Manali.
Teilweise sieht die Landschaft hier genauso aus wie im Schwarzwald - Kiefern und Pinien. Von weitem sind auch die indischen Haeuser nicht so leicht von deutschen zu unterscheiden.
14.03.09
Heute mal einfach einen Abhaengtag eingelegt. Unsere Nachbarn sind heute weitergezogen. Es waren auch keine Italiener, wie ich vermutete, sondern Leute aus Estland.
Eine andere Nachbarin, eine Kanadierin hat gerade ein sogenanntes Retreat hinter sich. Sie hat 10 Tage abseits von hier schweigend und meditierend verbracht. Wenn ich richtig entsinne, nach der Vipassana-Methode. Ich mache ja auch meine Schweigewochenenden, aber immer zuhause und immer im christlichen Rahmen. Aber eigentlich sollte ich mir die Chance hier nicht entgehen lassen, allerdings waeren mir 10 Tage zu lang. Aber ein dreitaegiges Seminar waere vielleicht nicht schlecht.
Habe auch schon den Genuss einer indischen Kopfmassage kennengelernt. Haette allerdings vorher wissen muessen, dass jede Menge Oel auf den Kopf gegossen wird, dann haette ich mir das Haarewaschen sparen koennen. Es wurde auch nicht gerade zimperlich mit meinem Kopf umgegangen.
Unser Guesthouse-Manager Matthew arbeitet als Englischlehrer in der tibetischen Siedlung. Er spricht ausser seiner Muttersprache auch noch Deutsch, Franzoesisch und ein bisschen Hindi. Seine Mutter ist Englaenderin und der Vater Inder. Er meinte, dass die tibetischen Moenche und Nonnen die Flucht meist unbeschadet ueberstanden haben aber die juengeren Fluechtlinge teils sehr traumatisiert sind.
Zu der Familie unseres Guesthouses gehoert auch ein kleines zweieinhalbjaehriges Maedchen. Man kann die kleine mit einem geoelten Blitz vergleichen. Sie ist immer in Bewegung. Gestern ist sie in die hochheilige Stupa geklettert, hat sich die Gebetsglocke genommen und kraeftig gelaeutet. Da wurde mir klar, dass das Laeuten nicht immer etwas mit den Gebetszeiten zu tun hat.

Bei uns im Westen wird ja zunehmend bei lebhaften Kindern die Diagnose ADS (Aufmerksamkeits Defizit Syndrom) gestellt. Bei der Kleinen - Ansur ist ihr Name - waere dies bei uns vielleicht auch der Fall. Hier ist es ganz normal, dass ein Kind rumtobt und staendig in Bewegung ist. Allerdings ist es erstaunlicherweise auch normal, dass Kinder auch mal eine Weile still sitzen, wenn die Situation es erfordert, so wie beispielsweise bei einer laengeren Busfahrt. Und die beiden Soehne unseres Vermieters haben auch schon unser Gepaeck hochgetragen, obwohl sie erst 8 und 10 Jahre alt sind. Beide besuche eine angesehene Schule, sind also keine Kinderarbeiter. Trotzdem helfen sie manchmal ihrem Vater. Bei uns wuerde das wahrscheinlich den Kinderschutzbund auf den Plan holen.
Wie dem auch sei, die kleine Ansur hat es mir angetan. Sie sieht eher wie ein tibetisches Kind aus mit ihren hochroten Wangen und ihrem kraeftigen Koerperbau.
Eine Begebenheit bei einem unserer Spaziergaenge war sehr lustig; wir haben ein Kloster angesehen und kamen an einem alten tibetischen Paar in Begleitung eines jungen Moenchs vorbei. Der Moench sprach uns an und wollte wissen, woher wir kommen. Als ich als Heimatstadt Hamburg nannte, uebersetzte der Moench dem Tibeter dies, woraufhin der sehr begeistert reagierte und sagte, Hamburg sei die beste europaeische Stadt. Der alte Herr in seiner traditionellen Kleidung sah allerdings gar nicht so aus, als waere er schon viel gereist und als ich nachfragte, uebersetzte der Moench, dass Hamburg eine Partnerstadt sei und der Tibeter im Rahmen eines Ausstauschs Hamburg besucht haette. Als wir uns dann verabschiedeten, rief der alte Tibeter im Gehen nochmals laut und ausgedehnt" Tschuuuess". Da kann mal sehen, wie klein die Welt ist.
16.03.09
Habe gerade den Shiwa-Tempel in Bhagsu angesehen. Etwas kitschigeres kann man sich nicht vorstellen. Alles aus einer Art Pappmaschee (vielleicht in Trappiqualitaet) und in den grellsten Farben, die es gibt. Um in die oberen Stockwerke zu gelangen, muss man durch das aufgerissenes Maul eines Loewen steigen und der sich windende Gang wird immer flacher, so dass man sich schliesslich nur auf allen vieren fortbewegen kann.

Auf dem Weg sieht man dann furchterregende Monster in drohenden Gebaerden. Unweigerlich wird man eine eine Achterbahn erinnert. Einem Monster konnte man durch den aufgerissenen Mund gucken und dann sah man Shiva mit seiner Frau friedlich zusammen sitzten inmitten von Plastikblumen, Springbrunnen und aehnlichem.
Wieder in der ersten Etage angelangt sah ich dann das Schild "Four religions" ueber 4 Figuren. Es handelte sich offenbar um Moses, Brahma, Mohamed und dem gekreuzigten Jesus. Selbstverstaendlich auch alle in den kitschigsten Farben. Buddha war merkwuerdigerweise nicht dabei.
Morgen fahren wir weiter nach Manali. Da alles so billig ist, werden wir uns den Luxus eines Taxis leisten, damit wir aussteigen koennen, wann und wo wir wollen.
Habe in meinem Reisefuehrer (den fuer alle Deutschen obligatorischen orangefarbenen "Stefan Loose") bei der Beschreibung der Stupas einen Satz gelesen, der mir nicht aus dem Sinn geht. Ein Teil der Stupa symbolisiert die "Einheit von Kosmos und Existenz". Dies ist das, was ich beim Meditieren auch oftmals empfunden habe. Der unendliche und immer noch unerklaerliche Kosmos ist eins mit der menschlichen Existenz. Ich haette es nur nicht so ausdruecken koennen. Religon hat immer noch den Kosmos im Programm waehrend der Materialismus bei dem irdischen begrenzten Sein endet.
Ich kann hier von meinem Platz im Internetcafe durch die geoeffnete Balkontuer direkt auf das Himalayatal sehen und dort dreht ein Raubvogel (Bussard, Habicht?) seine Runden.
17.03.09
Habe noch gar nicht vom "Kistenmann" erzaehlt. In der engen Tempelroad mitten im Gewirr der Geschaefte stehe am Strassenrand eine Kiste, die ungefaehr die Masse von 2 mal 1 Meter hat. Die Kiste ist vorne zur Haelfte offen. In dieser offenen Seite sitzt ein alter Mann, die Beine nach unten baumelnd, und neben ihm quillt aus der anderen Haelfte undefinierbarer Kram wie Plastiktueten, Zotteldecken e.t.c. heraus. Der alte Herr sitzt stoisch ruhig und oft isst er Kleinigkeiten, die ihm von den Passanten gekauft werden. Ein anderer Tourist hat uns erzaehlt, dass der Mann schon seit 20 Jahren in seiner Muellkiste so dasitzt. Erinnert ein wenig an Diogenes in der Tonne, nur dass der Kistenmann anscheinend nicht philosophiert. Auf jeden Fall wirkt er nicht ungluecklich. Und das Versorgungssystem scheint auch ohne Sozialarbeiter zu klappen.
Gestern sind wir in Dharamsala angekommen. Wir hatten uns es leicht gemacht und ausnahmsweise die ersten 2 Naechte schon ab Hamburg gebucht. So wurden wir dann freudlich am Flughafen mit einem Minibus abgeholt.
Unser Guesthouse liegt so hoch, dass wir das letzte Stueck des Weges aussteigen und gehen mussten. Ein kleiner und steiler Felsweg fuehrte dann zu unserem Guesehouse, und von unserem Balkon koennen wir das ganze Tal ueberblicken.
Direkt vor unserem Haus stehen 2 grosse Stupas mit hinduistischen Gottheiten. Damit auch das Beduerfnis nach Kitsch erfuellt wird, blinkt innen eine Leuchtkette. Die wird aber abends ausgeschaltet und auch die Tuer wird geschlossen - auch Goetter muessen schlafen.

Zum Abendessen habe ich das erste Mal das Nationalgericht Daal gegessen. Ein Linsengericht und dazu gab es Currygemuese und Rettichscheiben. Als Dessert ein ebenfalls sehr leckeres Kokosnussmus.
Ich habe mich noch nicht an die Zeitumstellung gewoehnt und so bin ich dann auch nachts aufgewacht. Habe mich dann ein bisschen auf den Balkon gesetzt. Es war kalt und still und man konnte die Silhouette des Himalayas sehen. Es ist zu beeindruckend um es wirklich zu schildern. Mir fiel das alte Volkslied ein "Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt" (Ist das eigentlich von Eichendorf? Wenn ja, von Joseph oder vom Bruder?). Diese Strophe stimmt mit jedem Wort.
Habe ein bisschen Angst, dass wir jetzt im Dunkeln den Weg nicht mehr finden, denn es ist wirklich eine Kletterpartie und Felsen sehen nachts alle gleich aus...
Upper Dharamsala MCleod Ganj (HP)
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zweiter Tag 10.03.09
Wie ich befuerchtet hatte, haben wir uns gestern verlaufen. Aber in der frischen Bergluft war das nicht weiter schlimm, irgendwie sind wir dann doch nach Hause gelangt.
Als wir gestern sind wir im Tempel des Dalai Lamas ankamen, began gerade eine grosse Meditation zum Gedenken an die Vertreigung aus Tibet. Ich habe so etwas noch nie erlebt - die Meditationsgesaenge liessen foermlich die Luft vibrieren und zeitweilig verursachte dies fast schon Ohrenschmerzen.
Unter den Moenchen gibt es auch Kinder. Einige der Kinder - uebrigens immer nur Jungen - bleiben auch spaeter Moench. Aber viele sind nur eine Zeitlang Moench und leben danach wieder ganz weltlich. Tibetische Kinder während der Zeremonie unterscheiden sich in einem Punkt nicht allzu sehr von christlichen Kindern im Gottesdiest - sie flüstern und kichern viel lieber herum als andaechtig zu lauschen!

Als wir heute in MC Leod ankamen, versammelten sich gerade die Menschen zu einer Demo in Richtung Tempel. Wer wollte, konnte sich eine Kerze nehmen und dann setzte sich die Menschenmenge langsam in Bewegung. In viel zu engen Strassen, die noch nicht einmal gesperrt waren, quetschten wir uns dann durch das Zentrum.

Heute jaehrt sich der 50. Jahrestag der Vertreibung aus Tibets. An der Demo nahmen sowohl Moenche als auch Touristen, Inder und Tibeter und sehr junge als auch sehr alte Menschen teil. Die Tibeter fingen dann zu singen an - zuerst sehr leise und dann immer lauter. Im Tempel angekommen wurden dann ein paar Reden gehalten und eine Gedenkminute fuer die Menschen eingelegt, die fuer ihre Ueberzeugung ihr Leben lassen mussten. Am Schluss wurde dann gemeinsam ein Lied angestimmt. Ich weiss nicht, ob es sich um eine Art Nationalhymne oder um ein religioeses Lied handelte. Auf jeden Fall habe ich nur sehr selten Menschen so inbruenstig singen hoeren. Inbruenstig und doch nicht fanatisch, so wie ich es schon immer bei der Internationalen empfand, mit der ich mich nie anfreunden konnte.
Danach hat Mika noch einen alten Freund getroffen, den er schon 12 Jahre nicht mehr gesehen hat und der extra wegen der Veranstaltung hier ist. Tja, es gibt doch Menschen, die sich fuer andere interessieren....
Vorgestern Nacht, als ich in der Dunkelheit auf dem Balkon sass, kamen mir Zweifel, ob es wohl ein Widerspruch ist, im Lande Buddhas die ignatianischen Exerzitien zu praktizieren, was ich ja vorhabe. Aber eigentlich ist es klar, dass kein Widerspruch besteht. Es gibt mit Sicherheit nur eine Wahrheit. Aber diese Wahrheit offenbart sich in verschiedenen Bildern. Und hat verschiedene Propheten. Das, was hinter der Form steckt gilt es zu ergruenden.
dritter Tag, 11.03.09
Habe mich eben spontan zu einer Aryurvedamassage entschieden und das nicht bereut. Gehe jetzt wie auf Wolken.
vierter Tag, 12.03.09
Es ist doch ein bisschen anstrengend, jeden Tag den Berg hochzukraxeln und auf dem Weg denke ich oft, dass wir uns ein Guesthouse in der Naehe suchen sollten. Aber wenn ich dann oben bin, entschaedigt mich die majestaetische Aussicht fuer die Plackerei. Und ausserdem kann ich ja wieder eine Aryurvedamassage fuer die Fuesse machen lassen...
Gestern war ein Hindu-Feiertag: der Tag der Farben. Entsprechend waren einige Leute hier auch voellig mit Farbe eingespritzt. Uns hat man aber verschont.
Habe endlich herausgefunden, warum die Karte so wenig hilfreich ist: unser Guesthouse befindet sich gar nicht in MCLeod Ganj sondern in Bagshu. Mein schlechter Orientierungssinn ist schon eine Last. Aber jetzt kenne ich die wichtigsten Punkte und weiss zumindest wo die Tuk-Tuks abfahren und wo ich aussteigen muss.

Waehrend ich hier im Internetcafe sitze, laufen draussen tibetische Nonnen mit Kerzen vorbei und rezitieren heilige Texte. Und mein Kollege mailt mir aus Hamburg immer wieder Beitraege ueber Tibet, in denen ausgesagt wird, wie einseitig alle Berichte seien. Tibet waere frueher ein feudalistisches Land gewesen mit furchtbarer Armut und wenig Rechten fuer das Volk.
China ist immer noch ein feudalistisches Land - mit Parteibonzen als Feudalherren. Und manche Minenarbeiter arbeiten nackt (!!) weil sie nur ein paar Kleider haben und diese nicht beschaedigen wollen. Und die Gefaengnisse sind voll mit Menschen, die lediglich eine andere Meinung haben. In Tibet durfte man zumindest sagen, was man wollte. Und kein Lama hat je solche Reichtuemer gehabt wie die jetzigen chinesischen Neureichen.
In Tibet gab es Misstaende wie ueberall auf der Welt. Aber jedes Volk hat das Recht, seine Misstaende selbst zu aendern. Und jedes Volk hat das Recht auf seine Religion, man kann weder jemandem verordnen, an Mao zu glauben noch an Jesus noch an die Deutsche Bank.
13.03.09
Komme gerade von einer Tour mit unserem Vermieter zurueck. Wir haben den Dal-Lake angesehen, einen Shivatempel, das Dorf Naddi und das von der Schwester des Dalai Lama gegruendete Childrens Center.
Wir zoegern einen Ortswechsel immer mehr raus, weil unser jetziges Guesthouse so schoen ist. Vielleicht machen wir aber demnaechst fuer ein paar Tage eine Tour nach Manali.
Teilweise sieht die Landschaft hier genauso aus wie im Schwarzwald - Kiefern und Pinien. Von weitem sind auch die indischen Haeuser nicht so leicht von deutschen zu unterscheiden.
14.03.09
Heute mal einfach einen Abhaengtag eingelegt. Unsere Nachbarn sind heute weitergezogen. Es waren auch keine Italiener, wie ich vermutete, sondern Leute aus Estland.
Eine andere Nachbarin, eine Kanadierin hat gerade ein sogenanntes Retreat hinter sich. Sie hat 10 Tage abseits von hier schweigend und meditierend verbracht. Wenn ich richtig entsinne, nach der Vipassana-Methode. Ich mache ja auch meine Schweigewochenenden, aber immer zuhause und immer im christlichen Rahmen. Aber eigentlich sollte ich mir die Chance hier nicht entgehen lassen, allerdings waeren mir 10 Tage zu lang. Aber ein dreitaegiges Seminar waere vielleicht nicht schlecht.
Habe auch schon den Genuss einer indischen Kopfmassage kennengelernt. Haette allerdings vorher wissen muessen, dass jede Menge Oel auf den Kopf gegossen wird, dann haette ich mir das Haarewaschen sparen koennen. Es wurde auch nicht gerade zimperlich mit meinem Kopf umgegangen.
Unser Guesthouse-Manager Matthew arbeitet als Englischlehrer in der tibetischen Siedlung. Er spricht ausser seiner Muttersprache auch noch Deutsch, Franzoesisch und ein bisschen Hindi. Seine Mutter ist Englaenderin und der Vater Inder. Er meinte, dass die tibetischen Moenche und Nonnen die Flucht meist unbeschadet ueberstanden haben aber die juengeren Fluechtlinge teils sehr traumatisiert sind.
Zu der Familie unseres Guesthouses gehoert auch ein kleines zweieinhalbjaehriges Maedchen. Man kann die kleine mit einem geoelten Blitz vergleichen. Sie ist immer in Bewegung. Gestern ist sie in die hochheilige Stupa geklettert, hat sich die Gebetsglocke genommen und kraeftig gelaeutet. Da wurde mir klar, dass das Laeuten nicht immer etwas mit den Gebetszeiten zu tun hat.

Bei uns im Westen wird ja zunehmend bei lebhaften Kindern die Diagnose ADS (Aufmerksamkeits Defizit Syndrom) gestellt. Bei der Kleinen - Ansur ist ihr Name - waere dies bei uns vielleicht auch der Fall. Hier ist es ganz normal, dass ein Kind rumtobt und staendig in Bewegung ist. Allerdings ist es erstaunlicherweise auch normal, dass Kinder auch mal eine Weile still sitzen, wenn die Situation es erfordert, so wie beispielsweise bei einer laengeren Busfahrt. Und die beiden Soehne unseres Vermieters haben auch schon unser Gepaeck hochgetragen, obwohl sie erst 8 und 10 Jahre alt sind. Beide besuche eine angesehene Schule, sind also keine Kinderarbeiter. Trotzdem helfen sie manchmal ihrem Vater. Bei uns wuerde das wahrscheinlich den Kinderschutzbund auf den Plan holen.
Wie dem auch sei, die kleine Ansur hat es mir angetan. Sie sieht eher wie ein tibetisches Kind aus mit ihren hochroten Wangen und ihrem kraeftigen Koerperbau.
Eine Begebenheit bei einem unserer Spaziergaenge war sehr lustig; wir haben ein Kloster angesehen und kamen an einem alten tibetischen Paar in Begleitung eines jungen Moenchs vorbei. Der Moench sprach uns an und wollte wissen, woher wir kommen. Als ich als Heimatstadt Hamburg nannte, uebersetzte der Moench dem Tibeter dies, woraufhin der sehr begeistert reagierte und sagte, Hamburg sei die beste europaeische Stadt. Der alte Herr in seiner traditionellen Kleidung sah allerdings gar nicht so aus, als waere er schon viel gereist und als ich nachfragte, uebersetzte der Moench, dass Hamburg eine Partnerstadt sei und der Tibeter im Rahmen eines Ausstauschs Hamburg besucht haette. Als wir uns dann verabschiedeten, rief der alte Tibeter im Gehen nochmals laut und ausgedehnt" Tschuuuess". Da kann mal sehen, wie klein die Welt ist.
16.03.09
Habe gerade den Shiwa-Tempel in Bhagsu angesehen. Etwas kitschigeres kann man sich nicht vorstellen. Alles aus einer Art Pappmaschee (vielleicht in Trappiqualitaet) und in den grellsten Farben, die es gibt. Um in die oberen Stockwerke zu gelangen, muss man durch das aufgerissenes Maul eines Loewen steigen und der sich windende Gang wird immer flacher, so dass man sich schliesslich nur auf allen vieren fortbewegen kann.

Auf dem Weg sieht man dann furchterregende Monster in drohenden Gebaerden. Unweigerlich wird man eine eine Achterbahn erinnert. Einem Monster konnte man durch den aufgerissenen Mund gucken und dann sah man Shiva mit seiner Frau friedlich zusammen sitzten inmitten von Plastikblumen, Springbrunnen und aehnlichem.

Wieder in der ersten Etage angelangt sah ich dann das Schild "Four religions" ueber 4 Figuren. Es handelte sich offenbar um Moses, Brahma, Mohamed und dem gekreuzigten Jesus. Selbstverstaendlich auch alle in den kitschigsten Farben. Buddha war merkwuerdigerweise nicht dabei.
Morgen fahren wir weiter nach Manali. Da alles so billig ist, werden wir uns den Luxus eines Taxis leisten, damit wir aussteigen koennen, wann und wo wir wollen.
Habe in meinem Reisefuehrer (den fuer alle Deutschen obligatorischen orangefarbenen "Stefan Loose") bei der Beschreibung der Stupas einen Satz gelesen, der mir nicht aus dem Sinn geht. Ein Teil der Stupa symbolisiert die "Einheit von Kosmos und Existenz". Dies ist das, was ich beim Meditieren auch oftmals empfunden habe. Der unendliche und immer noch unerklaerliche Kosmos ist eins mit der menschlichen Existenz. Ich haette es nur nicht so ausdruecken koennen. Religon hat immer noch den Kosmos im Programm waehrend der Materialismus bei dem irdischen begrenzten Sein endet.
Ich kann hier von meinem Platz im Internetcafe durch die geoeffnete Balkontuer direkt auf das Himalayatal sehen und dort dreht ein Raubvogel (Bussard, Habicht?) seine Runden.
17.03.09
Habe noch gar nicht vom "Kistenmann" erzaehlt. In der engen Tempelroad mitten im Gewirr der Geschaefte stehe am Strassenrand eine Kiste, die ungefaehr die Masse von 2 mal 1 Meter hat. Die Kiste ist vorne zur Haelfte offen. In dieser offenen Seite sitzt ein alter Mann, die Beine nach unten baumelnd, und neben ihm quillt aus der anderen Haelfte undefinierbarer Kram wie Plastiktueten, Zotteldecken e.t.c. heraus. Der alte Herr sitzt stoisch ruhig und oft isst er Kleinigkeiten, die ihm von den Passanten gekauft werden. Ein anderer Tourist hat uns erzaehlt, dass der Mann schon seit 20 Jahren in seiner Muellkiste so dasitzt. Erinnert ein wenig an Diogenes in der Tonne, nur dass der Kistenmann anscheinend nicht philosophiert. Auf jeden Fall wirkt er nicht ungluecklich. Und das Versorgungssystem scheint auch ohne Sozialarbeiter zu klappen.
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