Dienstag, 17. März 2009
Weiter geht's und Hoppla
lilith2, 18:31h
17.03.09 Vashisht
Nach 8 Stunden Fahrt bin ich heute in Manali angekommen. Eigentlich nicht direkt in Manali, sondern in Vashisht. Hier ist es noch kaelter als in MC Leod Ganj. Wir haben jetzt mal ein richtiges Hotel. Der eigentliche Unterschied zu unserem vorherigen Guesthouse ist, dass wir mal ein eigenes Klo haben und man das Klopapier ins Klo werfen darf - wie wir Europaeer es ja gewohnt sind - und nicht in einen Eimer.
Direkt unter dem Hotel befindet sich eine heisse Quelle mit einem kleinen Swimmingpool. Allerdings baden dort nur Maenner. Und da es sich um eine Sulfatquelle handelt, stinkt es auch ein wenig nach faulen Eiern.
Von Hotel aus koennen wir das ganze Kullu-Tal ueberblicken und jetzt koennen wir auch die schneebedeckten Gipfel sehen.
Ein grosser Teil der Strecke bestand aus Haarnadelkurven und fuehrte immer direkt am Abrund vorbei. Der Fluss fuehrt nur stellenweise Wasser, dann leuchtet er dunkelgruen. Die Vegetation ist aeusserst merkwuerdig; es gibt Zedern und Kiefern wie bei uns und gleichzeitig wachsten dazwischen Palmen. Ein sehr ungewohnter Anblick.
Munis, unser Fahrer, machte uns auf eine bemerkenswerte Form der Flussueberquerung aufmerksam. Von unserer Seite aus lief eine Art Seilbahn zu der gegenueberliegenden Seite. Das kennt man schon aus Bayern und Oesterreich. Das Ungewoehnliche war allerdings, dass die Stahlseile duenn waren, dass man sie fast gar nicht sah, sondern nur den Sitz (nicht mehrere sondern maximal zwei) sehen konnte. Da die Seile so duenn waren, konnte man sie auch nur die ersten Meter sehen. Ausserdem wuerde man auch keine Seilbahn vermuten, weil auf der gegenueberliegenden Seite ueberhaupt nichts war, weswegen sich ein Ueberqueren lohnen wuerde. Man hatte folglich den Eindruck, dass es sich bei der in schwindelnder Hoehe befindlichen Seilbahn um einen Weg ins Nirwana handelte. So ein Anblick hat einen heilbaren Effekt: man merkt, dass man doch am Leben haengt, denn wenn mich nicht gerade ein Baer oder Tiger verfolgen wuerde, wuerde mich nichts in der Welt dazu bringen, diese Bahn ins Nirwana zu besteigen.
Hier in Vashisht scheint eher die Bergsteiger- und Treckingszene vertreten zu sein als die spirituelle. Ein Trecking werde ich wohl auch noch machen, aber nur ein ganz kleines....
Was das Spirituelle angeht, habe ich heute den ziemlich jaeh auftauchenden Geistesblitz gehabt, mit allem in meinem Leben reinen Tisch zu machen. Einfach alles sagen, was gesagt werden muss. Wenn dabei Koepfe rollen, dann rollen eben Koepfe. Menschen, die keine Ruecksicht auf andere nehmen, haben das Recht auf ihren Kopf verwirkt. Menschen, die andere ausnutzen, betruegen oder im Stich lassen ebenfalls.
Wenn ich danach bei allen unter durch bin, wen stoert's eigentlich? Mich immer weniger. Wie singt Brechts Seeraeuberjenny doch so schoen: "Und wenn dann der Kopf faellt, sag ich Hoppla!"
Hoppla, war das eben ein Kopf? Da ich noch denke, kann es meiner nicht gewesen sein. Und was scheren mich schliesslich Koepfe von Menschen, die denselben nur fuer Schlechtes nutzen?
Vashisht Hot Springs, Manali
18.03.09
Als ich heute morgen aufwachte: das erste, was ich sah, als ich die Augen oeffnete waren die schneebedeckten Gipfel des Himalaya. Etwas Gigantischeres kann man sich nicht vorstellen.
Mein Fruehstueck habe ich in einem Dachcafe zu mir genommen. Nach oben ein Blick auf den Himalaya nach unten ein Blick auf einen Hindutempel, der ueber heisse Quellen verfuegt. In den Bassins baden die Glaebigen. Ausserdem kann man ganz indiskret in die Hinterhoefe der schiefergedeckten Holzhaeser gucken, wo die Frauen Essen zubereiten oder Waesche waschen. Mein Fruehstueck war so gut, dass ich es gleich noch einmal bestellt habe. Nutella-Pancake und Zimttee!
19.03.09
So weit weg von zuhause bekommt man Abstand zu seinen Alltagsproblemen. Denke darueber nach, warum ich ich schon seit einigen Jahren eine Mordswut mit mir rumschleppe. Wenn man eine Last schleppt, dann muss man die abwerfen, andere Loesungen gibt es nicht.
Warum schleppt man ewige Zeiten etwas mit sich herum, was man eigentlich abwerfen sollte? Zuerst aus Ruecksicht auf die anderen. Spaeter aus Angst. Ich bin bei weitem nicht unfehlbar und auch bei mir gibt es Dinge, in die man reinschlagen kann und ich weiss nicht, ob ich dem gewachsen waere. Aber wuerde es dann wirklich schlimmer als jetzt sein?
Muss man es wirklich ertragen, wenn eine Kollegin Auslaender als Bimbos und Kanaken bezeichnet und sich auf die gleiche prollige Art ueber mein Leben aeussert? Muss ich es wirklich Kollegen stillschweigend hinnehmen, die ihre Rechnungen bis zum Bersten getuerkt haben? Muss ich es tatsaechlich schlucken, wenn jemand sich als Big Boss aufspielt und sowohl Klienten als auch Kollegen wie Immobilien behandelt? Muss ich mir zu allem Uebel auch noch ins Gesicht luegen lassen, wenn ich die Dinge offen anspreche?
Die Antwort lautet: Nein! Nein und nochmals Nein! Man hat nicht erst dann das Recht, sich zu wehren, wenn man selbst unfehlbar ist. Es kann nicht schlimmer kommen als bisher.
Und ich moechte sie loswerden, diese masslose Wut. Und immer mehr spuere ich, dass dies nicht durch Runterschlucken geht.
Es gibt fuer mich nichts zu verlieren. Aber leider fuer jemand anderen, dem ich sehr wehtun muesste. Ich glaube, ich kann dies aber nicht laenger vermeiden, wenn ich wieder normal atmen will. Kafka hat mal gesagt, man kann nicht leben, ohne schuldig zu werden. Das ist bittere Wahrheit. Aber immerhin Wahrheit. Auf Wahrheit laesst sich aufbauen. Auf Luegen nicht.
Das ist das, was der Himalaya mir zu sagen hat. Es gibt im Hinduismus eine Goettin namens Kali oder auch Durga. Sie wird angebetet, obwohl sie auch die Goettin der Zerstoerung ist. Anscheinend ist man im Hinduismus der Meinung, das Zerstoerung etwas Goettliches ist. So wie die Trinitaet aus Brahma, Wishnu und Shiwa eine Trinitaeit aus Erschaffung, Erhaltung und Zerstoerung ist.
Zerstoerung ist in dem Moment nicht destruktiv, wo etwas zerstoert wird, das selbst zerstoererisch ist. Jede Konstruktivitaet muss auch in gewissen Masse destruktiv sein, damit etwas aufgebaut werden kann.
Hier in Vashisht gibt es sowohl viele alte als auch sehr junge Hippies. Und ein alter Hippiespruch lautet: Wir haben nichts zu verlieren ausser unseren Fesseln. Ja, das sagt mir der Himalaya. Und irgendwie geht's mir auch gleich schon besser.
Der Kampf mit der Technik
Wir versuchen schon seit einiger Zeit, einige Fotos zu mailen - aber irgendwie klappt es doch nicht. So verbring man doch mehr Zeit am PC als in den Bergen...
20.03.09
Jetzt hat es mich doch ein wenig erwischt, die Hoehenrkrankheit. Mir ist ein wenig flau und ich komme sehr schnell ausser Atem und mein Auge flattert staendig so wie die Gebetsfahnen hier. Trotzdem wollen wir uns heute ein Tuc-Tuc mieten.
Gestern sind wir ein wenig am Fluss laengsspaziert. Das Flussbett fuehrt noch kaum Wasser und in erster Linie besteht es daher aus Steinen und - Muell. Anscheinend schmeisst jeder seinen Muell in die Naehe des Flusses, anscheinend in der Hoffnung, dass das steigende Wasser ihn irgendwann schon wegtransportiert.
Auf dem Weg zum Fluss kamen wir auch an einem Slum vorbei. Huetten aus Holz oder einfach aus Platikplanen ueber Bambus, die bunt gewuerfelt aneinandergereit sind. Dazwischen Menschen, die herumwerkeln, Wasser schleppen oder Essen kochen. Und natuerlich Kinder, jede Menge. Bevor man sich jedoch von der obligatorischen Welle des Mitleids hinwegschwemmen laesst, sollte man sich die Zeit nehmen, die Gesichter zu beobachten. Soviel Muehe ich mir auch gebe; die Kinder sehen quietschvergnuegt aus. Ziemlich schmutzig, aber springlebendig und quietschvergnuegt.
Ich selbst habe einen Teil meiner fruehen Kindheit in einem sogenannten "Behelfsheim" bei meiner Oma verlebt. Das waren die Huetten, die man provisorisch fuer die Ostfluechtlinge gebaut hat. Kein Bad, kein Warmwasser, keine Heizung und kein eigenes Zimmer. Und fuer mich die gluecklichste Zeit meiner Kindheit.
Mein Opa hatte fuer mich eine Schaukel gebaut, eine Schaukel fuer mich allen. Und jede Menge Obst im Garten, den damals hat man Obst und Gemuese noch nicht gekauft sondern selbst angebaut. Baden fand ich sowieso nicht so toll. Das fiel mir hier komischerweise wieder ein, als ich im Tempel einen Vater sah, der seinen kleinen Sohn einseifte, der dabei herzergreifend schrie. Allein schlafen fand ich uebrigens - wie alle Kinder dieser Erde - auch nicht toll und so war es kein grosser Verlust, kein eigenes Zimmer zu haben.
Um keinen Irrtum aufkommen zu lassen: man muesste hier eine Menge fuer die Menschen in den Slums tun. Aber Badezimmer und Spielzeugberge sind dabei nicht unbedingt das Wichtigste.
Soviel zum Thema Armut.
21.03.09
Gestern sind wir mit dem Tuc-Tuc nach Manali gefahren. Manali hat eine grosse Strasse - the Mall - die fuer Autos gesperrt ist. Sehr angenehm also da in Indien kein Unterschied zwischen Fahrbahn und Gehstein gemacht wird und man somit normalerweise staendig zur Seite springen muss.
Obwohl ich eigentlich nicht unbedingt uebergewichtig bin, hatte ich das Gefuehl, dass das Tuc-Tuc mit uns beiden beim Berganfahren fast nach hinten ueberkippte. Aber irgendwie haben wir es dann doch geschafft, den Berg hinauf nach Vashisht zu kommen.
Hier neben den zierlichen Inderinnen fuehle ich mich enorm klobig und unsportlich. Waehrend ich den Berg hochaechse, huepft neben mir ein altes Muetterlein in Flip-Flops vorbei und lacht mich an. Nicht sehr aufbauend.
Ich spuere ueberhaupt hier in den Bergen die Grenzen meiner koerperlichen Belastbarkeit. Nicht das ich frueher sportlicher war - im Gegenteil, ich habe frueher Kette geraucht und mir Sport-ist-Mord auf die Fahnen geschrieben. Jetzt rauche ich schon seit fast 10 Jahren nicht mehr und jogge mindestens ein-bis zweimal die Woche. Trotzdem reicht das hier nicht. Ich wuerde so gerne weiter hoch in die Berge. Eigentlich kann es mir gar nicht hoch und einsam genug sein. Aber das kann ich mir abschminken. Es sei denn, ich beginne zuhause ein Sportprogramm. Immerhin habe ich mich ja schon zum Yoga angemeldet und hoffe, dass dies mit meinen Arbeitszeiten vereinbar ist.
Mache mir ueberhaupt viel Gedanken ueber so Einiges in Sachen Gesundheit in Ost und West. Bei uns in Deutschland ist es gang und gebe, dass alte Menschen irgendwann alle moeglichen Hilfsmittel erhalten, weil sie sich nicht mehr tief hinsetzen koennen. Erhoehte Clositze, Sessel mit Liftingsystem und hoehenverstellbare Betten. Hier sieht man auch die alleraeltesten Frauen bei der Gartenarbeit auf dem Boden. Nahezu auch alle anderen Taetigkeiten werden hockend verrichtet: Kochen, Waesche waschen, Spinnen und auch Tratschen.
Meine Oma habe ich Zeit meines Lebens nie knieend gesehen und auch bei meinen ganzen aelteren Klienten waere dies undenkbar. Ich hoere jetzt schon wieder meine kritische Nichte sagen: Du kannst nicht immer alles vergleichen!" Doch, kann ich!! Es gibt nichts Wichtigeres als Vergleiche, wenn man Ursachen erforschen will. Ich vermute, dass wir im Westen einfach ganz natuerliche Koerperhaltungen und Bewegungen straeflich vernachlassigen. Alte Menschen, die Yoga praktizieren, koennen durchaus mit den Asiaten mithalten.
Ehe ich es vergesse: Heute morgen gab es wieder grosses Staunen: ueber nacht hatte es geschneit und fast der ganze Himalya ist schneeweiss!
22.03.09
Heute haben wir das Dorf Naggat besucht und dort haben wir uns die "Roehricht Art-Gallerie" angesehen. Natuerlich auch wieder ganz oben auf einem Berg. Habe vorher nie etwas von einem Svetislaw Roehricht gehoert. Aber hat mich irgendwie an Walter Speer, den deutschen Maler auf Bali in den 50er Jahren erinnert. Irgendwie ist es erstaunlich - Auslaender koennen manchmal fuer andere Auslaender die Liebe zu einem bestimmten Land noch besser ausdruecken als die Einheimischen. Das Besondere an diesem Roehricht ist aber nicht nur die offensichtliche Liebe zu der indischen Himalayaregion, sondern sein grosses Interesse an uebergreifender Spiritualitaet.
Habe erst jetzt durch das Lesen meines Reisefuehrers von einer Gruppe des Hinduismus erfahren, die alle Religionen als gleichwertig erachtet und sich auf die Gemeinsamkeiten konzentriert.
Wieder in Vashisht angekommen, haben wir noch eingekauft. Schade, dass ich keine Videokamera habe, das von Gefuehlen ueberschaeumende Handeln war wirklich filmreif. Der Haendler ging natuerlich wie gewohnt mit dem Preis runter, aber auf jedes Unterbieten reagierte er mit herzzerreissender Mimik und Gestik. "You will nowhere find this cheaper than in my shop! If yes - I will pay you 5.000,00 $. I give you my card with telephone number - you can believe me". Nachdem der Kauf dann besiegelt war: "This day no buisiness for me - only lucky for you, you koll me!". Allerdings bestand beim Handeln absolute Ebenbuertigkeit, was Uebertreibungen angeht. Mein Freud erzaehlte von Kindern (welche?), die er versorgen muss und wegen denen er solche horrenden Ausgaben nicht machen koenne. Wie dem auch sei - am Ende waren offensichlich alle zufrieden.
In dem Zusammenhang muss ich sagen, dass es hier ein absolutes Einkaufparadies ist. Schade, dass es die Gewichtsbegrenzung beim Einchecken gibt......
Nach 8 Stunden Fahrt bin ich heute in Manali angekommen. Eigentlich nicht direkt in Manali, sondern in Vashisht. Hier ist es noch kaelter als in MC Leod Ganj. Wir haben jetzt mal ein richtiges Hotel. Der eigentliche Unterschied zu unserem vorherigen Guesthouse ist, dass wir mal ein eigenes Klo haben und man das Klopapier ins Klo werfen darf - wie wir Europaeer es ja gewohnt sind - und nicht in einen Eimer.
Direkt unter dem Hotel befindet sich eine heisse Quelle mit einem kleinen Swimmingpool. Allerdings baden dort nur Maenner. Und da es sich um eine Sulfatquelle handelt, stinkt es auch ein wenig nach faulen Eiern.

Von Hotel aus koennen wir das ganze Kullu-Tal ueberblicken und jetzt koennen wir auch die schneebedeckten Gipfel sehen.
Ein grosser Teil der Strecke bestand aus Haarnadelkurven und fuehrte immer direkt am Abrund vorbei. Der Fluss fuehrt nur stellenweise Wasser, dann leuchtet er dunkelgruen. Die Vegetation ist aeusserst merkwuerdig; es gibt Zedern und Kiefern wie bei uns und gleichzeitig wachsten dazwischen Palmen. Ein sehr ungewohnter Anblick.
Munis, unser Fahrer, machte uns auf eine bemerkenswerte Form der Flussueberquerung aufmerksam. Von unserer Seite aus lief eine Art Seilbahn zu der gegenueberliegenden Seite. Das kennt man schon aus Bayern und Oesterreich. Das Ungewoehnliche war allerdings, dass die Stahlseile duenn waren, dass man sie fast gar nicht sah, sondern nur den Sitz (nicht mehrere sondern maximal zwei) sehen konnte. Da die Seile so duenn waren, konnte man sie auch nur die ersten Meter sehen. Ausserdem wuerde man auch keine Seilbahn vermuten, weil auf der gegenueberliegenden Seite ueberhaupt nichts war, weswegen sich ein Ueberqueren lohnen wuerde. Man hatte folglich den Eindruck, dass es sich bei der in schwindelnder Hoehe befindlichen Seilbahn um einen Weg ins Nirwana handelte. So ein Anblick hat einen heilbaren Effekt: man merkt, dass man doch am Leben haengt, denn wenn mich nicht gerade ein Baer oder Tiger verfolgen wuerde, wuerde mich nichts in der Welt dazu bringen, diese Bahn ins Nirwana zu besteigen.
Hier in Vashisht scheint eher die Bergsteiger- und Treckingszene vertreten zu sein als die spirituelle. Ein Trecking werde ich wohl auch noch machen, aber nur ein ganz kleines....
Was das Spirituelle angeht, habe ich heute den ziemlich jaeh auftauchenden Geistesblitz gehabt, mit allem in meinem Leben reinen Tisch zu machen. Einfach alles sagen, was gesagt werden muss. Wenn dabei Koepfe rollen, dann rollen eben Koepfe. Menschen, die keine Ruecksicht auf andere nehmen, haben das Recht auf ihren Kopf verwirkt. Menschen, die andere ausnutzen, betruegen oder im Stich lassen ebenfalls.
Wenn ich danach bei allen unter durch bin, wen stoert's eigentlich? Mich immer weniger. Wie singt Brechts Seeraeuberjenny doch so schoen: "Und wenn dann der Kopf faellt, sag ich Hoppla!"
Hoppla, war das eben ein Kopf? Da ich noch denke, kann es meiner nicht gewesen sein. Und was scheren mich schliesslich Koepfe von Menschen, die denselben nur fuer Schlechtes nutzen?
Vashisht Hot Springs, Manali
18.03.09
Als ich heute morgen aufwachte: das erste, was ich sah, als ich die Augen oeffnete waren die schneebedeckten Gipfel des Himalaya. Etwas Gigantischeres kann man sich nicht vorstellen.

Mein Fruehstueck habe ich in einem Dachcafe zu mir genommen. Nach oben ein Blick auf den Himalaya nach unten ein Blick auf einen Hindutempel, der ueber heisse Quellen verfuegt. In den Bassins baden die Glaebigen. Ausserdem kann man ganz indiskret in die Hinterhoefe der schiefergedeckten Holzhaeser gucken, wo die Frauen Essen zubereiten oder Waesche waschen. Mein Fruehstueck war so gut, dass ich es gleich noch einmal bestellt habe. Nutella-Pancake und Zimttee!
19.03.09
So weit weg von zuhause bekommt man Abstand zu seinen Alltagsproblemen. Denke darueber nach, warum ich ich schon seit einigen Jahren eine Mordswut mit mir rumschleppe. Wenn man eine Last schleppt, dann muss man die abwerfen, andere Loesungen gibt es nicht.
Warum schleppt man ewige Zeiten etwas mit sich herum, was man eigentlich abwerfen sollte? Zuerst aus Ruecksicht auf die anderen. Spaeter aus Angst. Ich bin bei weitem nicht unfehlbar und auch bei mir gibt es Dinge, in die man reinschlagen kann und ich weiss nicht, ob ich dem gewachsen waere. Aber wuerde es dann wirklich schlimmer als jetzt sein?
Muss man es wirklich ertragen, wenn eine Kollegin Auslaender als Bimbos und Kanaken bezeichnet und sich auf die gleiche prollige Art ueber mein Leben aeussert? Muss ich es wirklich Kollegen stillschweigend hinnehmen, die ihre Rechnungen bis zum Bersten getuerkt haben? Muss ich es tatsaechlich schlucken, wenn jemand sich als Big Boss aufspielt und sowohl Klienten als auch Kollegen wie Immobilien behandelt? Muss ich mir zu allem Uebel auch noch ins Gesicht luegen lassen, wenn ich die Dinge offen anspreche?
Die Antwort lautet: Nein! Nein und nochmals Nein! Man hat nicht erst dann das Recht, sich zu wehren, wenn man selbst unfehlbar ist. Es kann nicht schlimmer kommen als bisher.
Und ich moechte sie loswerden, diese masslose Wut. Und immer mehr spuere ich, dass dies nicht durch Runterschlucken geht.
Es gibt fuer mich nichts zu verlieren. Aber leider fuer jemand anderen, dem ich sehr wehtun muesste. Ich glaube, ich kann dies aber nicht laenger vermeiden, wenn ich wieder normal atmen will. Kafka hat mal gesagt, man kann nicht leben, ohne schuldig zu werden. Das ist bittere Wahrheit. Aber immerhin Wahrheit. Auf Wahrheit laesst sich aufbauen. Auf Luegen nicht.
Das ist das, was der Himalaya mir zu sagen hat. Es gibt im Hinduismus eine Goettin namens Kali oder auch Durga. Sie wird angebetet, obwohl sie auch die Goettin der Zerstoerung ist. Anscheinend ist man im Hinduismus der Meinung, das Zerstoerung etwas Goettliches ist. So wie die Trinitaet aus Brahma, Wishnu und Shiwa eine Trinitaeit aus Erschaffung, Erhaltung und Zerstoerung ist.
Zerstoerung ist in dem Moment nicht destruktiv, wo etwas zerstoert wird, das selbst zerstoererisch ist. Jede Konstruktivitaet muss auch in gewissen Masse destruktiv sein, damit etwas aufgebaut werden kann.
Hier in Vashisht gibt es sowohl viele alte als auch sehr junge Hippies. Und ein alter Hippiespruch lautet: Wir haben nichts zu verlieren ausser unseren Fesseln. Ja, das sagt mir der Himalaya. Und irgendwie geht's mir auch gleich schon besser.
Der Kampf mit der Technik
Wir versuchen schon seit einiger Zeit, einige Fotos zu mailen - aber irgendwie klappt es doch nicht. So verbring man doch mehr Zeit am PC als in den Bergen...
20.03.09
Jetzt hat es mich doch ein wenig erwischt, die Hoehenrkrankheit. Mir ist ein wenig flau und ich komme sehr schnell ausser Atem und mein Auge flattert staendig so wie die Gebetsfahnen hier. Trotzdem wollen wir uns heute ein Tuc-Tuc mieten.
Gestern sind wir ein wenig am Fluss laengsspaziert. Das Flussbett fuehrt noch kaum Wasser und in erster Linie besteht es daher aus Steinen und - Muell. Anscheinend schmeisst jeder seinen Muell in die Naehe des Flusses, anscheinend in der Hoffnung, dass das steigende Wasser ihn irgendwann schon wegtransportiert.
Auf dem Weg zum Fluss kamen wir auch an einem Slum vorbei. Huetten aus Holz oder einfach aus Platikplanen ueber Bambus, die bunt gewuerfelt aneinandergereit sind. Dazwischen Menschen, die herumwerkeln, Wasser schleppen oder Essen kochen. Und natuerlich Kinder, jede Menge. Bevor man sich jedoch von der obligatorischen Welle des Mitleids hinwegschwemmen laesst, sollte man sich die Zeit nehmen, die Gesichter zu beobachten. Soviel Muehe ich mir auch gebe; die Kinder sehen quietschvergnuegt aus. Ziemlich schmutzig, aber springlebendig und quietschvergnuegt.
Ich selbst habe einen Teil meiner fruehen Kindheit in einem sogenannten "Behelfsheim" bei meiner Oma verlebt. Das waren die Huetten, die man provisorisch fuer die Ostfluechtlinge gebaut hat. Kein Bad, kein Warmwasser, keine Heizung und kein eigenes Zimmer. Und fuer mich die gluecklichste Zeit meiner Kindheit.
Mein Opa hatte fuer mich eine Schaukel gebaut, eine Schaukel fuer mich allen. Und jede Menge Obst im Garten, den damals hat man Obst und Gemuese noch nicht gekauft sondern selbst angebaut. Baden fand ich sowieso nicht so toll. Das fiel mir hier komischerweise wieder ein, als ich im Tempel einen Vater sah, der seinen kleinen Sohn einseifte, der dabei herzergreifend schrie. Allein schlafen fand ich uebrigens - wie alle Kinder dieser Erde - auch nicht toll und so war es kein grosser Verlust, kein eigenes Zimmer zu haben.
Um keinen Irrtum aufkommen zu lassen: man muesste hier eine Menge fuer die Menschen in den Slums tun. Aber Badezimmer und Spielzeugberge sind dabei nicht unbedingt das Wichtigste.
Soviel zum Thema Armut.
21.03.09
Gestern sind wir mit dem Tuc-Tuc nach Manali gefahren. Manali hat eine grosse Strasse - the Mall - die fuer Autos gesperrt ist. Sehr angenehm also da in Indien kein Unterschied zwischen Fahrbahn und Gehstein gemacht wird und man somit normalerweise staendig zur Seite springen muss.
Obwohl ich eigentlich nicht unbedingt uebergewichtig bin, hatte ich das Gefuehl, dass das Tuc-Tuc mit uns beiden beim Berganfahren fast nach hinten ueberkippte. Aber irgendwie haben wir es dann doch geschafft, den Berg hinauf nach Vashisht zu kommen.
Hier neben den zierlichen Inderinnen fuehle ich mich enorm klobig und unsportlich. Waehrend ich den Berg hochaechse, huepft neben mir ein altes Muetterlein in Flip-Flops vorbei und lacht mich an. Nicht sehr aufbauend.
Ich spuere ueberhaupt hier in den Bergen die Grenzen meiner koerperlichen Belastbarkeit. Nicht das ich frueher sportlicher war - im Gegenteil, ich habe frueher Kette geraucht und mir Sport-ist-Mord auf die Fahnen geschrieben. Jetzt rauche ich schon seit fast 10 Jahren nicht mehr und jogge mindestens ein-bis zweimal die Woche. Trotzdem reicht das hier nicht. Ich wuerde so gerne weiter hoch in die Berge. Eigentlich kann es mir gar nicht hoch und einsam genug sein. Aber das kann ich mir abschminken. Es sei denn, ich beginne zuhause ein Sportprogramm. Immerhin habe ich mich ja schon zum Yoga angemeldet und hoffe, dass dies mit meinen Arbeitszeiten vereinbar ist.
Mache mir ueberhaupt viel Gedanken ueber so Einiges in Sachen Gesundheit in Ost und West. Bei uns in Deutschland ist es gang und gebe, dass alte Menschen irgendwann alle moeglichen Hilfsmittel erhalten, weil sie sich nicht mehr tief hinsetzen koennen. Erhoehte Clositze, Sessel mit Liftingsystem und hoehenverstellbare Betten. Hier sieht man auch die alleraeltesten Frauen bei der Gartenarbeit auf dem Boden. Nahezu auch alle anderen Taetigkeiten werden hockend verrichtet: Kochen, Waesche waschen, Spinnen und auch Tratschen.
Meine Oma habe ich Zeit meines Lebens nie knieend gesehen und auch bei meinen ganzen aelteren Klienten waere dies undenkbar. Ich hoere jetzt schon wieder meine kritische Nichte sagen: Du kannst nicht immer alles vergleichen!" Doch, kann ich!! Es gibt nichts Wichtigeres als Vergleiche, wenn man Ursachen erforschen will. Ich vermute, dass wir im Westen einfach ganz natuerliche Koerperhaltungen und Bewegungen straeflich vernachlassigen. Alte Menschen, die Yoga praktizieren, koennen durchaus mit den Asiaten mithalten.
Ehe ich es vergesse: Heute morgen gab es wieder grosses Staunen: ueber nacht hatte es geschneit und fast der ganze Himalya ist schneeweiss!
22.03.09
Heute haben wir das Dorf Naggat besucht und dort haben wir uns die "Roehricht Art-Gallerie" angesehen. Natuerlich auch wieder ganz oben auf einem Berg. Habe vorher nie etwas von einem Svetislaw Roehricht gehoert. Aber hat mich irgendwie an Walter Speer, den deutschen Maler auf Bali in den 50er Jahren erinnert. Irgendwie ist es erstaunlich - Auslaender koennen manchmal fuer andere Auslaender die Liebe zu einem bestimmten Land noch besser ausdruecken als die Einheimischen. Das Besondere an diesem Roehricht ist aber nicht nur die offensichtliche Liebe zu der indischen Himalayaregion, sondern sein grosses Interesse an uebergreifender Spiritualitaet.
Habe erst jetzt durch das Lesen meines Reisefuehrers von einer Gruppe des Hinduismus erfahren, die alle Religionen als gleichwertig erachtet und sich auf die Gemeinsamkeiten konzentriert.
Wieder in Vashisht angekommen, haben wir noch eingekauft. Schade, dass ich keine Videokamera habe, das von Gefuehlen ueberschaeumende Handeln war wirklich filmreif. Der Haendler ging natuerlich wie gewohnt mit dem Preis runter, aber auf jedes Unterbieten reagierte er mit herzzerreissender Mimik und Gestik. "You will nowhere find this cheaper than in my shop! If yes - I will pay you 5.000,00 $. I give you my card with telephone number - you can believe me". Nachdem der Kauf dann besiegelt war: "This day no buisiness for me - only lucky for you, you koll me!". Allerdings bestand beim Handeln absolute Ebenbuertigkeit, was Uebertreibungen angeht. Mein Freud erzaehlte von Kindern (welche?), die er versorgen muss und wegen denen er solche horrenden Ausgaben nicht machen koenne. Wie dem auch sei - am Ende waren offensichlich alle zufrieden.
In dem Zusammenhang muss ich sagen, dass es hier ein absolutes Einkaufparadies ist. Schade, dass es die Gewichtsbegrenzung beim Einchecken gibt......
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