Freitag, 28. Dezember 2007
Gefangener reicht dem Tod die Hand
Trieb dich der stumme Hohn der leidverfilzten Wände,
Der wie ein Nachtmahr unsre Brust bedrückt?
Wir wissens nicht. Wir wissen nur, daß Menschenhände
Einander wehe tun. Daß keine Hilfe überbrückt
Die Ströme Ich und Du. Daß wir den Weg verlieren
Im Dunkel dieses Hauses. Daß wir frieren.

Ernst Toller (1893 - 1939)

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Donnerstag, 27. Dezember 2007
Manuskript des Mitternachtslied
Oh Mensch! Gib acht!
Was spricht die tiefe Mitternacht?
"Ich schlief, ich schlief-,
Aus tiefem Traum bin ich erwacht:-
Die Welt ist tief und tiefer als der Tag gedacht.
Tief ist ihr Weh-
Lust, tiefer noch als Herzeleid:
Weh spricht: Vergeh!
Doch alle Lust will Ewigkeit-,
Will tiefe, tiefe Ewigkeit!"

Friedrich Nietzsche (1844 -1900)

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Weiß nicht mehr, wo die Erde liegt
Weiß nicht mehr, wo die Erde liegt
Die Raben schreien wie verwundet
Und prophezeien Nacht und Not;
Der Frost hat jede Tür umstellt,
Und der Hungerhund bellt.
Wir halten uns immer noch
eng umschlungen,
Im Küssen fanden wir noch kein Wort,
Die Lerchen haben sich tot gesungen,
Und Wolken wälzten den Sommer fort,
Doch dein Haupt, das in meinem
Arm sich wiegt,
Weiß nicht mehr, wo die Erde liegt.

Max Dauthendey (1867 - 1918)

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Mittwoch, 26. Dezember 2007
An sich selbst
Nun magst du ruhn für immer,
Mein müdes Herz. Es schwand die letzte Täuschung.
Die ewig ich gewähnt. Sie schwand. Ich fühle
Die Hoffnung jetzt erloschen,
Den Wunsch selbst nach des holden Truges Spiele.
Auf immer ruh! Du hast nun
Genug geschlagen. Würdig deines Pochens
Ist nichts, noch wert dies Dasein deiner Seufzer.
Das Leben nur in Ekel
Und Bitterkeit, sonst nichts, und Kot die Erde.
Nun ruhe aus. Verzweifle
Zum letzten Mal. Das Schicksal gab den Menschen
Nichts weiter als zu sterben. Jetzt verachte
Dich, die Natur, die Macht, die finstern Webens
Auf unser aller Schaden stets nur dachte,
Und die endlose Nichtigkeit des Lebens.

Giacomo Leopardi (1798 - 1837)

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Das Angenehme
Das Angenehme dieser Welt hab ich genossen,
Der Jugend Freuden sind wie lang! verflossen,
April und Mai und Junius sind ferne,
Ich bin nichts mehr, ich lebe nicht mehr gerne.

Friedrich Hölderlin (1770-1843)

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