Montag, 11. Februar 2008
Reflexe der Schwermut
Reflexe der Schwermut

Es ist vergeblich, daß die Menschen streben,
Des Leides, das sie drückt, sich zu entheben;
Kaum ist ein Schmerz, kaum ist ein Weh verwunden,
Hat eine andere Schlange sich gefunden:
Die grade so wie jene fest dich hält,
Und gift’gen Zahns dein Dasein dir vergällt:
Drum sei nur still! Trag jeden Kummer gerne!
Das Leiden, das dich quält, hält andere Leiden ferne.

Ich hab der Wehe wehestes erduldet,
Des Leidens Kelch bis auf den Grund getrunken.
Ich frag den stummen Gott, wie ich’s verschuldet,
Daß so mein Glück und so mein Stern versunken!
Da liegt das Bild zerstückt zu meinen Füßen:
Der Traum zerrann, in dem es mir erschienen!
Gespenster sind die Tage, die verfließen. –
Wär’ holdes Hoffen nicht nur leeres Wähnen,
Und gäb’s dort überm Grab ein Wiedersehen,
Wie wollt’ ich mich nach dieser Stunde sehen
Und für mich selbst den letzten Tag erflehen!
Doch was bleibt mir! – Mit aufgehobnen Händen
Hinstarr’nd gedenken der Vergangenheit,
In stummen Gram das stumme Sein beenden;
Denn Schmerzen sprechen, doch es schweigt das Leid!


Wie Schlafen, Träumen schon so himmlisch ist,
Da man so gänzlich seiner selbst vergißt:
Da man erlöst, von allem Leid befreit
Sanft selig ruht wie in der Ewigkeit!
Welch köstliches Empfinden mag’s erst sein,
Wenn sanft es tönt, es bebt in dein Gehör:
Leg still dich hin, denn du erwachst nicht mehr.


M. Solitaire (1818 – 1869)

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